Donnerstag, 5. November 2015

Über die "Kindergeeignetheit" von Schulen




Der Artikel 29 a der Kinderrechtskonvention (KRK) beinhaltet die Forderung Kindern eine individuell auf sie ausgerichtete Bildung zu ermöglichen. In der Realität sieht dies jedoch größtenteils noch anders aus.

Der Durst nach Wissen wird durch das gegenwärtige Bildungssystem schnell gestillt. Innerhalb immer kürzerer Zeit kommt es zu Bildungsmüdigkeit. Die Auslöser dieser Problematik liegen bereits in der Elementarpädagogik. Dort gibt es immer noch die Vorstellung, dass Kinder „schulgeeignet“ gemacht werden müssten, obwohl sie die nötige Begeisterung, Neugier und Wissbegier bereits in sich tragen. Der Gründer des „Summerhill“ Internates A. S. Neill verfolgte hingegen einen völlig anderen Ansatz. Seine Vorstellung bestand darin die Schule „kindergeeignet“ zu machen. Wesentliche Merkmale seiner Schule waren eine freiwillige Bildungsteilnahme sowie eine selbstorganisierte Schülerschaft. Bis heute wird das Konzept der „Summerhill“ praktiziert nur leider ist in unserer ökonomisierten Welt für diese Überzeugung kaum Platz.

Obwohl es erwiesen ist, dass unser Gehirn wesentlich mehr Wissen durch expansives (selbstbestimmtes) Lernen speichern kann, erfolgt ein Großteil des Unterrichts immer noch frontal und wird von defensiven (fremdbestimmten) Lernprozessen begleitet. Neurobiologisch betrachtet, gibt es eine nutzungsabhängige Stabilisierung synaptischer Netzwerke. Zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr, ist die Anzahl der synaptischen Verbindungen am Größten1. Danach heißt es „Use them or loose them“ und die Synapsenanzahl wird je nach Gebrauch, also persönlichen Interessen, anschließend reduziert oder stabilisiert. Der Neurobiologe Gerald Hüther äußerte dazu: „Fördern lässt sich dieser Prozess nicht indem man den Kindern möglichst früh Lesen, Schreiben und Rechnen, womöglich sogar noch Englisch und die Bedienung von Computern beibringt, sondern nur dadurch, dass man Räume und Gelegenheiten schafft, wo Kinder sich selbst erproben können (…)“.2 

Der Verein Grundschulverband möchte diese freien Bildungsräume schaffen und setzt sich für die Verbreitung von kindergerechten Schulen ein. Um eine Berücksichtigung des Bildungsparagraphen der KRK umzusetzen hat der Verband „Acht Forderungen zur Bildungsgerechtigkeit“ aufgestellt, die im Folgenden kurz aufgeführt werden sollen:3
  1. Kinder brauchen ermutigende Zuwendung von Erwachsenen
  2. Kinder brauchen eine Schule als Bildungszentrum im Stadtteil
  3. Kinder brauchen Bildungszeit vor Beginn der Schulzeit
  4. Kinder brauchen eine Schule ohne Auslese
  5. Kinder brauchen kleine Lehrgruppen
  6. Kinder brauchen Räume, in denen sie lernen und leben können
  7. Kinder brauchen einen Ganztag mit pädagogisch durchgestaltetem Konzept
  8. Kinder brauchen besondere Unterstützungen

Diese Forderungen werden unter anderem durch Forschungsberichte gestützt, welche als PDF online abrufbar sind, auf der Seite des Grundschulverbands. Dort wird beispielsweise eine interessante „Empirische Studie zur Bedeutung von Klassengröße für Schulleistungen“ aufgeführt, in welcher über die positiven Effekte von kleinen Klassen berichtet wird. Da das Schulsystem jedoch ökonomischen Zwängen unterliegt, ist eine Klassenverkleinerung bisher nicht abzusehen, da dies mit einem höheren Bedarf von Lehrpersonal und dadurch mit höheren Kosten verbunden wäre.

Abschließend folgt nun ein Zitat von A. S. Neill, welches die Selbstbestimmtheit des Kindes betont.

The function of the child is to live his own life – not the life that his anxious parents think he should live, nor a life according to the purpose of the educator who thinks he knows best.4

Die Funktion eines Kindes ist sein eigenes Leben zu leben – nicht das was seine ängstlichen Eltern denken als Leben vorschreiben zu müssen und auch kein Leben nach den Maßgaben der LehrerInnen welche denken es wäre das Beste.

I hold that the aim of life is to find happiness, which means to find interest. Education should be a preparation for life. Our culture has not been very successful. Our education, politics and economics lead to war. Our medicines have not done away with disease (…).5

Ich denke das Ziel des Lebens ist Glück zu finden, was meint Interesse zu finden. Bildung sollte eine Vorbereitung für das Leben sein. Unsere Kultur ist nicht sehr erfolgreich. Unsere Bildung, Politik und Ökonomie führt zu Krieg. Unsere Medizin hat Krankheiten nicht beendet.

1 Vgl., Handbuch Kindheit, Gebildete Kindheit, In: http://www.handbuch-kindheit.uni-bremen.de/teil1_3.html 
2 Siehe, Gebauer, Karl / Hüther, Gerald: Kinder brauchen Spielräume. Perspektive für eine kreative Erziehung, Patmos Verlag, Düsseldorf und Zürich 2003, S.10-11
3 Siehe, Grundschulverband, Acht Forderungen zur Bildungsgerechtigkeit, In: http://www.grundschulverband.de/fileadmin/BGK/GSa_8-Forderungen_ohne_Beitritt_Web_120904.pdf (19.10.2015)
4 Siehe, Neill, S., A., Summerhill Policy Statement, In: http://www.summerhillschool.co.uk/summerhill-policy-statement.php (29.10.2015)
5 Ebd.

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