Sonntag, 10. Juli 2016

Die 100 Sprachen des Kindes?



Im Mai konnten die Studiengänge „Angewandte Kindheitswissenschaften“, „Kindheitspädagogik“ und „Leitung von Kindertageseinrichtungen – Kindheitspädagogik“ einen tieferen Einblick in die Reggio Pädagogik  erhalten, durch eine Weiterbildungsmöglichkeit in Reggio Emilia. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick zur Reggio Pädagogik und den aus der Fortbildung resultierenden Erkenntnissen gegeben werden.

In der Reggio Pädagogik wird das Kind als Forscher gesehen. Ziel der Pädagogen ist es ihm auf vielfältige Weise bei der Entdeckung seiner Lebenswelt zur Seite zu stehen. Einen Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit stellt die Dokumentation da. Zur Dokumentation werden Interaktionen der Kinder notiert oder mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und später gemeinsam interpretiert (für die Vorbereitung und Nachbearbeitung stehen zusätzliche Zeiträume zur Verfügung). Als eine Dokumentationsmöglichkeit kann das Mitzeichnen von sozialen Interaktionen und eine parallele Dokumentation von Gesprächsinhalten gesehen werden.  Die Interpretation und Dokumentation richtet sich nach keiner speziellen Methode. Kinder werden bei der Interpretation der Daten nicht einbezogen, sie findet unter den Erziehern statt.

Das Atelier nimmt in der Reggio Pädagogik eine zentrale Rolle als Forschungsort ein. Es ist kein wissenschaftliches Museum - Lösungen sollen dort selbst durch experimentelles Vorgehen entdeckt werden. Um besser zu veranschaulichen, was ein Atelier ist, sollen nachfolgend einige Beispiele für mögliche Ateliers angeführt werden:

·  Küche: Als Ausprobierort zum Entdecken von Gewürzen, Gerüchen, Geschmackssinnen, experimentelles Kochen; in jeder Kita gibt es zwei Köche und eine zur Verfügung stehende Küche in der auch mit den Kindern gekocht werden kann
·       Kunst: experimentieren mit Farben, Recycling Materialien…
·  Naturwissenschaften: Lichtinstallationen -> Forschen zu Licht und Schatten, Spiegelungen, Vergrößerungseffekte, Schwarzlicht…

  • Garten: Als Möglichkeit zur Entdeckung von Insekten und Pflanzen, Licht und Schatten

  • In der Reggio Ausstellung gab es dazu ein Beispiel für Naturforschungen, zu dem Thema Gräser, in denen die Kinder folgenden Fragen nachgingen:  Are grasses male or female? How can you tell? What does a little grass have to learn? And who teaches it? And who puts the little seeds in the earth? How is grass born? How does grass move?

o   Naturraum: Wasserkrug mit Kaulquappen, Teichpflanzen, Blumen…

Zum Zusammenhang von Pädagogen und Ateliers wurde im Centro Emilia folgender zentraler Satz geäußert: „Ich lehre dir keine Kompetenzen –Ich gebe dir verschiedene Räume zur Verfügung, wo du deine eigenen Antworten entwickeln kannst.“ In den von Erwachsenen vorbereiteten Räumen sollen Kinder ihre verschiedenen Sprachen ausleben können und die Welt entdecken als Forscher. Die Erzieher  begleiten und dokumentieren diesen Prozess. Hierbei sollte hinterfragt werden, wie man Kinder bei der Vorbereitung von Ateliers einbinden kann und ob deren Wünschen für mögliche Forschungsräume Berücksichtigung erhalten.

Im Folgenden soll nochmal kurz auf die Bedingungen zu künstlerischen Ateliers eingegangen werden. In den Ateliers arbeiten „Atelierista“ die ein Kunststudium absolviert haben. Die Zeichnungen und Bastelarbeiten der Kinder werden stets aufbewahrt, kreative Erzeugnisse werden als wichtig betrachtet. Diese besondere Wertschätzung, kann jedoch auch mit Chaos verbunden sein, wenn es nur wenig Aufbewahrungsmöglichkeiten gibt. Des Weiteren sollte hinterfragt werden, wer entscheidet was wichtig ist und ob bei dieser Entscheidung Kinder einbezogen werden. 
Während der Fortbildung erhielten wir auch einen Einblick in eine Reggio Kita und konnten dort Pädagogen und eine Mutter zur Umsetzung der Reggio Pädagogik in der Praxis befragen. Zu den Räumlichkeiten der Kita konnten wir Folgendes feststellen:

·         Warme Farben,
·         Große und tiefe Fenster,
·         Einrichtung ist überwiegend aus Holz
·         Keine feststellbaren Rückzugsorte im Haus, aber im Außenbereich (Garten)
·         Ateliers mit Lichtspielen und Kunst
·         Briefkästen für Kinder (Austausch von Überraschungen/Geschenke/Nachrichten)
·         Wenig Spielzeug.

Abschließen kann festgestellt werden, dass in der Reggio Pädagogik ein wichtiger Schwerpunkt bei der Raumgestaltung liegt, was auch in der besuchten Kita ersichtlich wurde. Des Weiteren konnte in Erfahrung gebracht werden, dass es in der Reggio Pädagogik altershomogene Gruppen gibt. Kinder jüngeren Alters können somit nicht von den Erfahrungen älterer Kinder profitieren. 

Zur Sicht der Kinder konnten wir leider währen der Fortbildung keine Informationen einholen. Unklar bleibt auch die genaue Rolle der Erzieher. Es ist bisher nur ersichtlich, dass dieser soziale Interaktionen zwischen den Kindern unterstützen soll und als Begleiter zu sehen ist, der die Entwicklung des Kindes dokumentiert. Weitere Frage die wir uns dabei stellten waren: Wie ist das Verhältnis zwischen „Atelerista“ und ErzieherIn? Führen die kunstbasierte Ausbildung des „Atelerista“ und die pädagogische Ausbildung des Erziehers zu Spannungen?

Als letzter Punkt soll der Besuch der Universität Modena angeführt werden. Dort lernten wir das Forschungsprojekt „SharedMemories and Dialogue“[1] kennen. In dem es um das Teilen von Erinnerungen durch Kinder geht. Innerhalb des Projektes sollen Kinder wichtige Erinnerungsfotos vorstellen und dabei gefilmt werden. Die Agency der Kinder soll mithilfe der Fotos gestärkt werden, dazu soll die traditionelle Konversation, in der Lehrer Gespräche initiieren und Schüler antworten, verändert werden. Ziel ist die Anregung des Wechsels pädagogischer Muster. In der Abschlussdiskussion wurde auch die Reggio Pädagogik thematisiert. Dabei konnte festgestellt werden, dass es bisher keine Forschungen zur Reggio Pädagogik gibt und diese  in einigen Punkten „als renovierungsbedürftig“ gilt. In diesem Zusammenhang soll noch erwähnt werden, dass auch kein Interesse für eine mögliche Forschungskooperation erkennbar war.



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